Dennis Eckhardt

Musik und Anthropologie.

Über mich

Im Alter von 14 Jahren, nachdem ich schon im Klavier unterrichtet wurde, wuchs in mir der Wunsch Orgel zu lernen. Daher habe ich neben meiner schulischen Ausbildung die C-Prüfung als Kirchenmusiker in der Kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte Schlüchtern (KMF) absolviert: 2009 die C-Prüfung Orgel und 2010 die C-Prüfung Chorleitung. In Hessen, wo ich eigentlich herkomme, leitete ich verschiedene Chöre, bevor ich nach Berlin zog. Dort gründete ich 2011 die Flying Vocals - ein Frauenpopchor.

2022 habe ich meine Promotion in Europäischer Ethnologie abgeschlossen. Meine Forschungsschwerpunkte sind digitalisierte Arbeit, Cybersicherheit und Plattformökonomien.

Ich habe mich auch als Europäischer Ethnologe mit Musik beschäftigt. Daraus ist ein kleines Buch erwachsen (siehe weiter unten), sowie diverse Projekte wie der Berliner Frauenchortag. Gemeinsam mit dem Cafe Theater Schalotte darf ich jedes Jahr das Chorfestival Total Choral mitorganisieren.

Von 2018 bis 2022 war ich Kantor an der ev. Gustav-Adolf-Kirche in Berlin Charlottenburg. Seit 2022 habe ich mich gemeinsam mit Rebecca Tjimbawe nebenberuflich selbstständig gemacht und sheSounds gegründet. Unter dem Dach von sheSounds versammeln sich zurzeit zwei geniale Popfrauenchöre! Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht noch mehr Fokus und Energie in die Popfrauenchorszene in Berlin zu legen. Wenn Du davon ein Teil werden willst, dann klick Dich gerne durch unsere Infos und schreib uns!

Über shesounds

Mit sheSounds sind wir eine Mission angetreten: Wir wollen Frauenchöre im Pop A Cappella sichtbarer machen und ihr volles Potential ausschöpfen. Oft wird Frauenchören nachgesagt, dass ihnen ‚Bässe‘ oder ganz und gar ‚Männer‘ fehlen würden. Bei uns fehlt nichts! Wir machen das Potential von Frauenchören sichtbar und unterstützen Frauen dabei ihre eigenen Stimmen besser kennenzulernen und zum Glänzen, aber auch Shouten, zu bringen.

Wir können alle Tiefen und Höhen darstellen, die ein Chor so braucht und entstauben damit das Genre ‚Frauenchor‘ das schon lange auf ein Revival wartet. Hier in Berlin ist es endlich soweit: Wir schaffen musikalische Angebote, die Spaß, aber auch Anspruch versammeln. Doch wie sind wir eigentlich entstanden?

Musik & Ethnologie

Sich mit Musik und Chor ethnographisch zu beschäftigen bedeutet zu untersuchen, was Menschen tun, was ihre Praxen sind, und verstehen lernen, wie daraus Kontexte entstehen. Einerseits ist ein kleines Buch hieraus erwachsen. Andererseits ein Frauenchor FAQ: Häufige Probleme und Fragen, die mit Frauenchören auftreten (unten zu finden). FrauenSingen ist dabei ein ganz eigener Bereich der Musik, der auch so behandelt werden sollte. Daher entstand in Berlin auch der Frauenchortag.

musik machen inmitten anderer

In diesem kleinen Buch geht es um die verschiedensten Verwicklungen, die es im Chorischen so gibt und geben kann. Das Buch ist eine autoethnographische Essaysammlung, und steht für Chorleitende und Chorsingende offen. Besonderes Augenmerk erhalten in dem Buch Frauen in Chören und Frauenchöre. Das Buch ist letztlich als eine kritische Standortbestimmung gedacht. Zum Verlag.

Klappentext: "Chormusik ist in Deutschland seit Langem fest verankert und erfährt aktuell wieder verstärkt Aufwind. Zu selten wird jedoch Chormusik kritisch hinterfragt: Werden Singende in Chören nur zu fügsamen Körpern herangezogen? Ist der Chor wirklich ein soziales Projekt, bei dem die Herkunft der Menschen unerheblich ist? Warum gibt es so wenige Frauenchöre in Deutschland, obwohl Dreiviertel aller Singenden Frauen sind? Ausgehend von autoethnografischen Essays wird das Projekt Chor kritisch fokussiert und Alternativen erarbeitet: Einzelne im Chor sichtbar halten, Positionen der Chorleitung transparent machen, Sinnbezüge hinterfragen, und Musik als sozio-kulturelle Handlung offenlegen."

Fraunechor FAQ

Häufige Fragen und Probleme, wenn man einen Frauenchor leitet oder leiten möchte. Zumindest aus meinen Erfahrungen, die ich hier zusammengetragen habe.

Wie soll man anfangen?

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Meiner Erfahrung nach gründen sich die meisten Frauenchöre aus irgendwelchen bereits vorhandenen Kontexten heraus, also bspw. Frauen, die sich von Arbeit kennen o. ä. Es handelt sich also weniger um "so, jetzt ein Chor!"-Geschichten, sondern sich irgendwie entwickelnde Formate, die immer einen spezifischen sozialen Hintergrund haben. 

 

Zwar haben alle Menschen einen irgendwie gearteten Musikgeschmack, den sie auch alle ausleben; wenn es allerdings darum geht selber Musik zu machen, entwickeln sich meiner Meinung nach diese Geschmäcker neu. Es ist nicht selten, dass Menschen, die im Alltag gerne Techno hören, im Chor lieber Renaissance-Musik machen wollen. Das muss ausgelotet werden, und für alle im Chor irgendwie verständlich werden, wer welche Musik mag, und wie was davon im Chor nutzbar gemacht werden kann. Ich plädiere hier immer wieder dafür dem Chor nichts vorzusetzen, sondern in der Rolle der Chorleitung diese Erfahrungen aufzunehmen, und versuchen im Sinne der Singenden weiterzuentwickeln. Natürlich soll da auch Platz sein für Musik, an die zuvor niemand dachte, aber das muss gut abgewogen werden.

 

Ein häufig gemachter Fehler - meiner Meinung nach - ist das Singen von leichten zweistimmigen Folklore Chorsätzen. Folklore ist immer wieder ein schwieriges Thema - wegen der Texte, die häufig nicht "Frauen-freundlich" sind, und wegen der "zu leichten" Chorsätze, die schnell ermüden, und immer wieder gleich klingen. Das liegt natürlich auch daran, dass sie gleich arrangiert werden: Also homophon (alle singen Text, nur in unterschiedlicher Lage). Das wird auch für ein Publikum schnell ermüdend. Außerdem sind viele Sätze in dieser Richtung überhaupt nicht angemessen: Sie sind meistens zu hoch, loten nicht die möglichen tonalen Umfänge aus, und zielen nur darauf, "dass es nett klingt". Hier sollte gut überlegt werden, was wirklich gewünscht ist.

 

In den Anfängen sollte man daher tatsächlich keine Scheu davor haben in unterschiedlichen Stilen zu singen und diese auszuprobieren. Man sollte allerdings darauf achten, dass es nicht möglich ist, alles "gleich gut zu singen": Jede Stilrichtung hat ihre eigenen benötigten Gesangstechniken, und ein eigenes Verständnis von "wie die Musik geht". Gerade bei Frauenchören sollte ein Repertoire im Sinne von "gut und günstig", also von allem etwas und immer nichts zu schweres, meiner Meinung nach vermieden werden. Langfristig sollte mit dem Chor dahingehend gearbeitet werden, dass mehrheitlich eine Stilrichtung gut verständlich gemeinsam musiziert werden kann - und dafür brauch es bei Laien einfach Zeit. So etwas wie "dieses Jahr Chansons und nächstes Jahr Brahms" scheitern meist an guter Aufführung. 

 

Ich plädiere dafür sich dezidiert im Laufe der Zeit - zusammen mit den Frauen - mehrheitlich für eine Stilrichtung zu entscheiden: Jazz oder Gospel oder Pop oder Klassik oder Motetten oder Oratorien. Es ist das eine, dass man zwar alle Musik irgendwie mag, aber das andere alle Musik gleich aufführen zu können. Gerade bei Profi-Solo-Musiker*innen ist das ähnlich: hier wird sich genauso spezialisiert, und intensiv mit einer oder zwei Musikrichtungen auseinander gesetzt. Gerade im Pop erlebe ich es immer wieder, dass Chöre, die sonst nur Folklore singen, plötzlich Pop singen wollen, was häufig nicht sehr überzeugend klingt. Es spricht nichts dagegen auch im 21. Jhdt nur Klassik zu machen - es muss gut gemacht sein. Auch Kirchenmusik lässt sich immer noch überzeugend musizieren, wenn man sich auf die Kerne konzentriert, und Herausforderungen nicht scheut.

 

Das wäre auch mein letztes Plädoyer: Wir dürfen den Frauenchören nicht "zu wenig" zutrauen. Im Anfang mag zweistimmiges oder dreistimmiges Singen in Ordnung sein. Aber auch hier entwickeln sich - gerade wenn der Chor wächst und einige Jahre probt - neue Geschmäcker heran. Was man dann früher als "schön" empfand, kann später als "langweilig" gesehen werden. Häufig gründen sich Frauenchöre nämlich auch mit der Prämisse "hier in Ruhe mal singen zu könne". Daran ist bei Weitem nichts verkehrt - wir sollten das sogar genau bedenken und mitnehmen. Wir müssen nur sehen, wo immer der Fokus liegt: Der kann manchmal "nur" bei den Menschen und ihrem Wohlbefinden liegen, und er kann manchmal auch genauso "nur" bei der Musik liegen, wo dann eingefordert wird, und die Frauen sich auch - teilweise diszipliniert - mit Musik auseinander setzen müssen.

Was ist bei Frauenstimmen zu beachten?

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Bezüglich Stimme von Frauen gibt es eine lange Geschichte von Missverständnissen. Ich selbst bin klassisch ausgebildet worden, und habe mich dann in den Pop gewagt. Mit meinem Frauenchor - zu dem ich nur durch Zufall kam - habe ich extrem viel über Frauenstimmen gelernt. In Kürze will ich daher meine eigenen Erfahrungen hier einmal aufbereitet zur Verfügung stellen:

 

  • Zu hoch: Warum auch immer - die meisten Stücke für Frauenchöre sind eindeutig zu hoch notiert. Über Jahrzehnte hinweg (und bis heute immer noch) wurden Frauen nur als "Hochsängerinnen" behandelt. Aus der Gesangs- und Stimmforschung wissen wir allerdings, dass circa 60 % aller Frauen Mittel-Lage-Sängerinnen, 20 % Hohe-Lage-Sängerinnen, und nochmal 20 % Tiefe-Lage-Sängerinnen sind. Das heißt, dass die meisten Stücke die "unteren 20 %" nicht erreichen. In den meisten Aufteilungen wie Sopran, Mezzo oder Alt sind dabei die Tonumfänge ebenfalls zu hoch gedacht. Der Alt kann (wenn man die Frauen dazu ermutigt und trainiert, weil es die meisten nicht "mehr" gewöhnt sind) bis runter zum kleinen d. Dabei sollte jedoch der Mezzo ebenfalls nicht zu hoch werden.

 

  • Zu kopfig: Ab einer gewissen Lage ist es natürlich nicht mehr möglich die Bruststimme zu verwenden - keine Frage. Immer wieder wird jedoch bei Frauen so getan, als ob sie nur Kopfstimme singen könnten, und dürften. Häufig mit der Erklärung, dass ihre Stimmen sonst Schaden nehmen würden. Ich kann nur dazu ermutigen sich die Frauen im eigenen Chor ganz genau anzusehen, und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ihre Stimmbänder wirklich aufgebaut sind. Gerade im Alt, aber auch manchmal im Mezzo (wenn nicht zu hoch) ist eine Abmischung mit Bruststimme sogar sehr förderlich und bei vielen Frauen eben nicht schädlich. Dazu zählt auch, dass man beim Arrangieren und Komponieren vermehrt zu einem pyramidalen Setzen des Chorsatzes über geht; also unten viel und fett und oben nur recht wenig (siehe dazu auch Interviews in der Chorzeit von Oliver Gies und Bine Becker-Beck). 

 

  • Nicht über den Mund fahren: Da es immer wieder dazu kommt, dass Chorleiter*innen behaupten, dass Frauen nur dies und jenes singen könnten (auch technisch), sollten wir wach dafür sein, was die Frauen im Chor konkret tatsächlich technisch leisten können, und was sie tatsächlich singen wollen und was nicht. Die meisten Frauenstimmen sind - meiner Erfahrung nach - nur "nach oben" fokussiert, weswegen es für eine Beschäftigung für "nach unten" überhaupt erst Räume geschaffen werden müssen. Frauenchöre sind dabei weder unvollständig, noch irgendwie eine Randerscheinung: Sie sind selten, weil sie lange gesellschaftlich unmöglich gemacht wurden. Wir müssen immer wieder gegen Stereotype ankämpfen. Dafür ist meiner Meinung wichtig, die Frauen im Chor auch sensibel wahrzunehmen und ihnen Platz einzuräumen. 

 

  • Hey! Ca. 75 % aller Chorsingenden in Deutschland sind Frauen! Anstelle den zwei Bässen hinterher zu rennen, sollten wir uns mal wieder um die ungehörte und ungesehene Mehrheit kümmern!

Wie sind Frauenchöre entstanden?

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Den ersten jemals erwähnten Frauenchor finden wir um 300 n. Chr. in Syrien in den Schriften von Ephräm dem Syrer. Durch Konstantin und dem Einzug des Christentums wurde es Frauen dann allerdings verboten zu singen. In Mitteleuropa war dies ähnlich. Es gab immer wieder einzelne Lichtblicke: In Italien gab es bspw. Mädchenschulen und Waisenhäuser, für die unter anderem Monteverdi komponierte. Hildegard von Bingen war ein solches Beispiel in Deutschland. Allerdings erst in der Romantik beginnen sich Frauenchöre wieder so zu formieren, dass wir bis heute davon einige Stücke noch finden. Brahms hatte bspw. in Hamburg einen sehr bekannten Frauenchor, für den er auch sehr viel komponierte. Die meisten dieser Chöre verschwanden allerdings wieder, als die Chorleiter gingen. Nach und nach etablierten sich dabei aber Salon-Chor-Gesellschaften, in denen Frauen "unter sich" sein konnten und sangen. Meines Wissens nach entstand der erste deutsche Frauenchor (nach langem Stumm-Sein) unter Louise Reichardt (auch Luise geschrieben) in Hamburg um 1807. Seitdem haben Frauenchöre vermehrt Einzug in das deutsche Chorwesen gefunden. 

Dieser kurze Abriss zeigt bereits, warum es schwer ist für Frauenchöre Musik von vor 1800 zu finden. Vielerorts durften Frauen aber bereits im Sopran in Chören mitsingen (Bach soll wohl seine Frau erstmalig wieder in der Kirche habe singen lassen). Daher gibt es einiges an Stücken für Knabenchöre, die dann auch für Frauenchöre genutzt wurde. 

Die Frau wurde in dieser Übergangsphase von "stumm zu mitsingen" aber nur als "Hohe-Töne-Sängerinnen" betrachtet, weswegen bis heute für Frauenchöre oft viel zu hoch komponiert und arrangiert wird. Obwohl Frauenchöre nun seit ca. 200 Jahren wieder kontinuierlich existieren, ist die Beschäftigung mit ihnen immer noch marginal.

Was ist Pop A Cappella?

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In Deutschland gibt es in Bezug auf Pop-Chor-Musik keine wirkliche Tradition. Das deutsche Chorwesen kommt von der Klassik und der Folklore. In der Regel findet man daher in den meisten Chören noch eher Musicals oder Evergreens, die als Pop gelabelt, gesungen werden. Diese Sachen findet man tatsächlich zuhauf publiziert, da auf die meisten dieser Songs keine Kosten mehr für die Verlage anfallen. Aktuelle Pop Songs, die wir aus dem Radio etc. kennen, finden sich bei deutschen Verlagen nur sehr wenig. In letzter Zeit wird es dort immer mehr, aber auch in Bezug auf Frauenchöre ist das Angebot noch mager. Was mit Pop im Chor definitiv nicht gemeint ist, sind Stücke wie "Fly me to the moon", "Somewhere over the rainbow" etc. Das ist zwar manchmal auch Pop - diese Stücke werden aber unter Standards verhandelt. Im Pop A Cappella geht es darum "den heißesten Scheiß", oder aber einfach nur "was ich aus meinem Leben an Songs kenne und liebe" zu singen. Das sind nicht nur Chartstürmer, aber auch. Skyfall von Adele, Happy von Pharell Williams, Hallelujah von Leonhard Cohen, etc. 

Auch wenn Chorgesang auch in Deutschland fast immer A Cappella ist, und dies daher eigentlich nix neues zu sein scheint, verbirgt sich hinter dem Label tatsächlich deutlich mehr, und es kann daher durchaus als eigene musikalische Richtung gesehen werden. Die Besonderheit besteht ersten im Singen ohne Begleitung, und zweitens im stimmlichen imitieren von Instrumenten. "Dubadodo" und "gigegau" sind daher die meist gesungenen "Wörter" in dieser Richtung. Es gibt zwar auch immer wieder homophone Abschnitte in Arrangements, aber es ist quasi ein ungeschriebenes Gesetz, die möglichst zu vermeiden, oder nur bei einer forte-Stelle einzusetzen. Diese Silben-Singen dient dazu im Chor einen Groove etablieren zu können. Wenn es gut läuft, kann man dazu sogar tanzen. Ganz hervorragende Einführungen dazu findet sich bisher leider nur auf Englisch. In Deutschland hat sich noch niemand gefunden, der dies mal als "Handbuch" anführt. Deke Sharon ist quasi der amerikanische A Cappella Guru, der auch viel nützliches geschrieben hat. Wer Einführungen in diese Richtung sucht, oder Arrangierhilfen kann hier fündig werden.

 

Hier zwei echt gute Bücher:

  • Deke Sharon, Dylan Bell (2012): A Cappella Arranging. Hal Leonard Books
  • Deke Sharon, Ben Spalding, Brody McDonald (2015): A Cappella. Alfred Music.

Wo finde ich gute pop Arrangements für Frauenchor?

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Eine echt schwierige Frage. Die Pop A Cappella Szene in Deutschland ist mehrheitlich eben als Szene organisiert. In der Klassik finden wir direkte Angelpunkte und Ansprechparter*innen an vielen Institutionen, wie in Verbänden oder Universitäten. Das ist im Pop noch eher schwierig, bzw. nicht der Regelfall. Um sich im Pop ordentlich einzuarbeiten geht eigentlich kein Weg an Kooperationspartner*innen vorbei, um den Anschluss zu finden. Die Szene ist mehr oder weniger aus den USA und Skandinavien (vor allem Dänemark) zu uns rübergeschwappt. Zwar lässt sich Pop A Cappella an das deutsche Chorwesen gut anbinden (so grundsätzlich), aber dennoch sind die Arrangiertechniken, Bewerbungsmethoden etc. deutlich andere. Also Hinweis eins: Suchen Sie Gesprächspartner*innen in der Szene, wie bei Festivals, A Cappella Bands oder anderen Pop-Frauenchören. Die Vernetzung untereinander ist unablässig!

Mit diesen Kontakten wird man bereits auf viele Stücke stoßen.

 

Grundsätzlich rate ich davon ab, nach Sammelbänden zu suchen. Das ist eine Vorgehensweise, die für klassische Literatur und Folklore durchaus funktioniert. Im Pop ist es einfach aufgrund des Marktes so leicht nicht: Da eben keine Evergreens oder Standards arrangiert werden, sondern "der heißeste Scheiss", sind die Fragen nach "wer arrangiert?" und "was kostet die Lizenz?" nicht so leicht zu beantworten, bzw. werden immer wieder einzeln beantwortet: Einen Sammelband mit aktuellen Pop-Stücken (die gut gemacht sein müssten) für Frauenchöre zu produzieren, lohnt sich aktuell (angeblich) für Verlage nicht. Daher gibt es so etwas auch so gut wie gar nicht. Wir müssten die Stücke also wirklich einzeln suchen. Dazu gibt es mehrere Vorgehensweisen - meiner Erfahrung nach:

  • Suchen nach Schwierigkeitsgrad (leichte Stücke): Es gibt auf dem amerikanischen Markt eine unglaubliche Fülle an 2-3 stimmigen Chorsätzen mit Klavierbegleitung, da man dort schon seit Jahrzehnten in Schulchören immer die aktuellen Hits aus den Charts singt. Diese Arrangements sind in der Regel homophon gesetzt, oder mit einer Lead-Stimme und zwei Background-Stimmen. Gerade für den Anfang eines Frauenchores sind diese Stücke super geeignet. Man muss aber vorsichtig sein: Die Dinge klingen häufig sehr gleich, und singen sich schnell ab (im Sinne einer Sättigung was die musikalische Form betrifft). Außerdem werden viele dieser Stücke (mittlerweile auch auf dem deutschen Markt) unter dem Label "for treble voices" (also "für gleiche Stimmen") verkauft: Gemeint damit ist, dass diese Stücke auch von Kinderchören gesungen werden können (in der letztlichen Konsequenz). Das spricht wiederrum dafür, dass die Stücke leicht zugänglich sind, aber einen bestimmten Schwierigkeitsgrad eben nicht überschreiten wollen. Ich will nicht sagen, dass Qualität immer mit "schwer" etwas zu tun - allerdings macht die bunte Gestalt von Arrangements eben ihre musikalische Form, und damit ihr "so klingt es" aus. Also suchen nach "Arrangements for High School/Middle School choir", oder bei den unten angegebenen Seiten etwas stöbern. Viele Arrangements finden sich von Bob Chilcott, Dylan Bell, Deke Sharon, etc. Von Deke Sharon gibt es mittlerweile bei Hal Leonard eine Pop Choral Series, die meist 3 stimmig und A Cappella ist. Das sind gute Laune Stücke, die schnell an das unbegleitete Singen heranführen. Hier gibts ne ordentliche Sammlung.

 

  • Suche nach konkreten Titeln: Wenn es egal ist, wie schwer das Arrangement sein darf und wenn man auch auf Klavier verzichtet, sondern erst einmal der Titel an sich im Vordergrund steht, sind die unten angegebenen Seiten ebenfalls erst einmal eine gute Adresse. Es ist auch vollkommen in Ordnung die Sachen mal zu googeln, also z.B. "Skyfall A Cappella SSAA". Bei sehr bekannten Stücken, die mal in den Charts waren, wird man sehr wahrscheinlich A Cappella Arrangements finden. Mittlerweile gibt es auf der ganzen Welt einige A Cappella Bands, die immer wieder Songs arrangiert singen, und die Sachen dann auf Youtube hochladen. Wenn man so etwas findet (aber eben keine Noten dazu), dann empfiehlt es sich unbedingt diese Band konkret zu suchen, und mit den Leuten Kontakt aufzunehmen! Meist geben die Bands ihre Arrangements gerne für ein kleines Geld her (ca. 50-100 € pro Arrangement für den gesamten Chor). Leider ist das häufig eine Geduldsprobe: Die meisten Bands antworten nur sporadisch, oder sind gar nicht darauf gefasst, dass jemand ihre Sachen singen will. Da braucht es etwas Geduld. Im Schlimmsten Fall heißt es dann: Selber machen, oder selber transkribieren. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Regel darin, dass solche Arrangements für Chöre oft zu schwer sind, und daher etwas vereinfacht werden müssen, wozu es den meisten Musiker*innen an Zeit und Muse fehlt. Dies gilt in Gänze so aber auch nur für englische Titel. Bei deutschen Songs ist das alles um ein Vielfaches schwerer: Oft sind noch nicht einmal die Originalsongs überhaupt (einstimmig mit Gitarre oder so) verlegt, oder nur als Songbook und in Print zu haben. Der deutsche Verlagsmarkt hat hier über Jahre hinweg eine Entwicklung verpennt, was es Chorleiter*innen schwer macht bei der Recherche. Da es den Verlagen (gerade den deutschen) schwer fällt aktuelle Pop Stücke arrangiert zu veröffentlichen (wegen der Lizenzen etc.), sollte man dafür wach sein, dass eine schatzartige Fülle in der Grauzone gibt: Chorleiter*innen und A Cappella Bands, die für sich selber arrangieren, aber die Noten nicht veröffentlichen (können). Wer selber Spaß am Arrangieren hat, sollte meiner Meinung nach außerdem die alte Tradition wieder aufleben lassen, sich mit Poeten*innen zusammen zu tun. Also mit Songwriter*innen zusammen arbeiten, und mit neuen frischen Songs ein Arrangement machen. Kurz zusammengefasst:

 

  •  Interessante Seiten speichern und immer wieder mal reinschauen
  •  Interessante Arrangeure*innen merken, und diese direkt anschreiben. Manchmal  haben diese Leute Arrangements im Petto, die noch nicht veröffentlicht sind!
  •  A Cappella Bands suchen, merken, anschreiben.
  •  Kontakt zu Songwriter*innen suchen!

 
Wo man suchen kann (einfach kopieren und googeln):

  • www.sheetmusicplus.com
  • www.notendownload.com
  • www.sheetmusicdirect.com
  • www.musicnotes.com
  • www.jwpepper.com
  • www.onlinesheetmusic.com
  • bgetheory.storenvy.com
  • www.musicroom.com
  • www.musikalspezial.de
  • www.chorusonline.com

Wo finde ich gute Klassik Literatur für Frauenchor?

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Wie zum Thema Geschichte von Frauenchören erwähnt, ist das Komponieren für Frauenchöre tatsächlich erst recht spät - zumindest in breiter Form - entstanden. Erst in der Romantik finden wir eine Fülle von Komponisten*innen, die für Frauenchöre geschrieben haben. Johannes Brahms hat eine Vielzahl für seinen Frauenchor komponiert, was mittlerweile schon fast Standard-Repertoire sein könnte. Auch die anderen Romantiker haben für Frauenchöre geschrieben: von Schumann, Schubert bis Mendelssohn und Reger. Auch hier gilt ähnliches wie im Bereich Pop: Es gibt zwar in der Klassik deutlich mehr für Frauenchöre als im Pop, allerdings ist vieles davon verschütt oder vergriffen. Ein Klassik-Frauenchor-Repertoire hat sehr oft etwas mit Recherche und Wieder-Uraufführung zu tun. Leider ist die öffentliche Wahrnehmung dieses Problem sehr gering, weswegen man häufig auf eigene Faust recherchieren muss. Auch hier gilt: Kontakt zu bekannten Chorleiter*innen suchen, dessen Repertoire verfolgen und Kontakt aufnehmen. Kerstin Behnke und Bine Becker-Beck wären bspw. solche Personen. 

Erfreulicherweise wird gerade in der Gegenwart wieder vermehrt für Frauenchöre komponiert: Durchaus anspruchsvoll aber tolle Stücke finden wir bspw. bei Nancy Van de Vate oder Dale Trumbore. Ich persönlich halte es für sinnvoll auch nach Stücken von Frauen für Frauen zu suchen. Diese Verbindung ist allerdings nicht leicht zu finden, da sie wenig problematisiert wird (siehe nächste Frage). Musik und Noten in der Klassik finden wir bei allen klassischen deutschen Verlagen, wie Carus, Bärenreiter, Edition Peters, etc. Hier muss man sich aber auch durchwühlen: Zu oft steht "Frauenchor" direkt neben "Kinderchor". Meiner Meinung nach sollte man sich hier nicht vergreifen, da viel für Kinderchöre zu hoch oder zu eintönig ist. Eine stetig wachsende Liste gibts hier.

Gerade ältere Stücke wie von Brahms finden sich aber mittlerweile auch frei verfügbar online, da sie alt genug sind. Hier bietet sich folgende Website besonders gut an:

 

  • http://imslp.org/
  • http://imslp.org/wiki/Category:For_female_chorus
  • http://imslp.org/wiki/Category:Scores_featuring_female_chorus

Welche Frauen haben für Frauen komponiert?

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Zwar gibt es mittlerweile viele Institutionen und Initiativen, die die Werke und das Schaffen von Komponistinnen wieder aufarbeiten, allerdings gibt es hierbei selten einen Fokus auf Frauenchorliteratur. Der Verlag Furore hat bspw. sich darauf spezialisiert Musik von Frauen zu veröffentlichen, aber nicht unbedingt Musik von Frauen für Frauen. Das heißt, vieles ist immer noch SATB, wie bspw. im Werk von Fanny Hensel. Hier scheint es noch eine gewisse Leerstelle in der öffentlichen Wahrnehmung und der wissenschaftlichen Aufarbeitung zu geben. Da allerdings auch hier viel verschütt liegt, ist es immer wieder Recherchearbeit.

 

Erst kürzlich fand bspw. die englische Musikwissenschaftlerin Laura Stras eine Sammlung von Motetten für gleiche Stimmen, die aus den Jahren um 1540 stammen müssten (hier Artikel und Hörproben). Diese Motetten sind ein absolutes Highlight und dringend zu empfehlen. Sie machen aber auch deutlich wie schwierig es ist, Musik für Frauenchor, die vor 1800 entstand, zu finden. In diesem Fall wurden die Stücke unter dem "Namen Anonymous" veröffentlicht: Wahrscheinlich stammen sie von Lucrezia Borgias Tochter, die als Nonne in einem Kloster lebte. Als Frau etwas zu veröffentlichen war damals eigentlich nicht möglich, und es ist heute mit Aufarbeiten und Wiederfinden verbunden.

 

Hildegard von Bingen wäre ein ähnliches Beispiel aus Deutschland, die im Kloster lebend für Frauen komponiert hat. Von solchen "Kloster-Beispielen" müsste es aber rein statistisch noch deutlich mehr geben - hier liegt wiederum viel in Bibliotheken, das auf fleißige Chorleiter*innen wartet. 

 

Mittlerweile finden sich einige Stücke wieder aufgearbeitet von romantischen Komponistinnen: Gerade Amy Beach wurde quasi in den letzten Jahren wieder rehabilitiert. Ihre Stücke sind wahnsinnig schön - aber auch schwer zu singen. Mabel Wheeler Daniels wäre ebenfalls eine gute Adresse (ihre Stücke kann man als eingescanntes Autograph bei der Library of Congress runterladen - selber recherchieren). Dame Ethel Smyth wäre ein weiterer Name.

 

Im französischen Raum wären auf jeden Fall Cécile Chaminade und Lili Boulanger zu nennen. Letztere hat bspw. ein Stück mit dem Titel "Les Sirènes" geschrieben, das stark an den Expressionismus erinnert. 

 

Bereits erwähnte Louise Reichardt (auch Luise) hat sehr leichte, aber schöne Chorsätze für ihren Frauenchor, der sich wohl aus Gesangsschülerinnen zusammensetzte, geschrieben. Es ist geistliche Musik, die zwar nicht irre komplex ist, aber immer noch aufführenswert. Gerade weil Reichardt selbst betonte, dass vor ihr "nie ein Frauenzimmer zum reinen vierstimmigen Satz fähig" gewesen sei. Eine kommentierte Wiederauflage dieser Noten finden wir - glücklicherweise - im Reichert-Verlag. Ich persönlich finde diese Stücke unglaublich spannend - wie gesagt nicht sehr komplex, eher homophon. Aber mit Reichardt als Person, zu der auch einiges in dem kleinen Heft erwähnt wird, zeugen diese Noten von einem in Spannung stehendem Leben.

 

Auf Wikipedia gibt es eine schöne Seite, die Komponistinnen auflistet. Ebenfalls stöbernswert ist das Online-Lexikon "Musik und Gender" der Uni Hamburg. Auch im englischsprachigen ChoralWiki findet sich allerhand. Eine wie ich finde sehr schöne Übersicht findet sich auch bei womencomposers.